In meinem letzten Urlaub hatte ich einen traumhaften Balkon mit Blick auf einen kleinen Hafen. Jeden Tag konnte ich das gemächliche Treiben dort beobachten. Habe die spektakuläre Drehung eines riesigen Frachtschiffs verfolgt, beobachtet, wie die ClubMed2 mit ihren 5 Masten majestätisch hinter den Hügeln hervorkam und kleine und größere Schiffchen ein- und ausfahren sehen… Mein Hirn hatte Freizeit.
Wenn ich nicht beobachtet oder Sport mit sagenhafter Kulisse gemacht habe, habe ich in einem gemütlichen Clubsessel gelesen oder einfach nur diese herrliche Ruhe genossen.
Und auf einmal war sie da, die Erinnerung an meinen ersten Clubhotelaufenthalt mit All-Inclusive und Animation: Bevor ich meine Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau gemacht hatte, war ich eigentlich immer nur Campen, auf einer Mehrbetten-Zimmer-Hütte oder mal in Ferienwohnungen mit Selbstverpflegung.
Was ist das also für ein „Geschenk“ dachte ich damals auf meiner Liege, direkt am Meer mit einem Buch, die Sonne auf der Haut, Wasser à gogo, kein Essen kochen und auch nicht Abspülen, Sportprogramm wenn ich will… – dachte ich zumindest.
Bis dann der Erste rief: „Volleyball, alle her zum Volleyball.“ Nö danke, ich lese. Nicht viel später: “Hey Du, heute Abend ist Backgammon-Turnier, komm schreib Dich ein.“ Nein danke, kein Interesse. Und dann ging`s richtig ab – Clubtanz, volle pulle Musik und zig Animateure, die Dich fast vom Liegestuhl zerrten, damit Du mit anderen unkoordiniert zappelnd um den Pool hüpfst und brüllst wie genial das doch ist.
„Hallo??? Siehst Du nicht, dass ich super zufrieden auf meiner Liege liege und lese? Könnt ihr euch alle nicht selbst beschäftigen? Muss euch echt einer zum Kasper machen?“
Mit einem aus tiefstem Herzen kommenden „Uff“ und einer großen Portion Dankbarkeit habe ich mich jetzt noch wohler auf meinem Balkon gefühlt, wo ich meine Zeit genau so einteilen und gestalten konnte, wie ich es gebraucht habe.
Diese Animationskultur, wie ich sie nenne, hat sich seit den 90igern nicht nur in Hotels sondern auch ganz oft in den Alltag eingeschlichen. Vor allem aber in den sozialen Netzwerken. Überall Menschen, die Dir erzählen, was Du nur alles tun musst, um fit, gesund, fröhlich, erfolgreich, schön, entspannt uvm. zu sein.
Was dabei verloren geht? Kreativität, Selbstwirksamkeit, echte Selbstwahrnehmung und die Verbundenheit zur eigenen Intuition. Viele wissen überhaupt nicht mehr, was ihnen guttut, was sie brauchen oder ihnen wirklich richtig gefällt, weil sie ständig konsumieren, was andere tun.
All die schönen Bilder, Farben und Vorschläge lassen einen schnell vergleichen, „Wie ist das bei mir?“
- Da ist z.B. dieses perfekt aufgeräumte, eingerichtete, dekorierte, farblich abgestimmte, behagliche Wohnzimmer in das Du sofort einziehen würdest
- Das Frühstück, Mittag- oder Abendessen, das unglaublich lecker und gesund aussieht, dass Dir förmlich das Wasser im Mund zusammenläuft
- Und dieser Traumkörper, schlank, muskulös, zart gebräunt, voller Energie – zum Niederknien.
Und so wie es in der Caption steht, geht alles ganz einfach, Du musst nur jeden Tag dieses eine tun…
Jetzt ist es natürlich für mich, die hier bei ELARA ja auch dafür da ist Wissen zu teilen, aufzuklären oder Tipps zu geben, eine gewisse Gratwanderung dieses Thema näher zu beleuchten. Sobald ich Dir ein Beispiel oder Tipps gebe, könnte es wie eine neue Anleitung wirken, und das will ich nicht, denn Informationen und Wissen bekommen ist eine Sache, etwas vorgesetzt bekommen eine andere.
Deshalb lade ich Dich ein, beim Lesen einfach zu spüren, was bei Dir anklingt, welche Bilder, Gedanken, Ideen hochkommen und was nicht. Du darfst wählen, ignorieren, abwandeln, verweilen oder weiterziehen.
Es geht nicht ums Tun, es geht ums Spüren, so wie als Kind.
Es ist faszinierend Kinder zu beobachten, wie sie ganz natürlich wissen, wann sie was tun / erkunden möchten, wann sie Hunger oder Durst haben, wie sie vielleicht über der Beschäftigung kuschelnd auf der Stelle einschlafen oder einfach nur sind.
In den Wechseljahren kann eine Frau sich durchaus ganz schön orientierungslos fühlen. Vieles funktioniert auf einmal nicht mehr so wie gewohnt, und wenn dann durch das unbewusste Nutzen bzw. Berieseln lassen die Intuition und Verbindung zum Körper unterbrochen ist, macht es diese Orientierungslosigkeit nicht besser.
Wir leben in einer Zeit, in der das Altern etwas ist, das man herauszögern möchte, „bekämpfen muss“ um lange dazuzugehören. Alles wird optimiert (darüber habe ich erst letztens geschrieben) und durch all die Informationen, die so einfach und wirksam erscheinen haben viele Menschen (nicht nur Frauen) verlernt sich selbst zu kennen und zu spüren, was sie eigentlich brauchen. Nicht jeder Frau tut genau das gut, was hier und da geschrieben steht, und sie wundert sich, warum das Ergebnis sich einfach nicht einstellen will.
Wahre, sachliche, tatsächliche Information, die Frauen sich zu Nutzen machen können, ist das was wir brauchen. Von anderen gesagt zu bekommen, was wir „nur tun müssen um zu“ ist Ködern, um hoffentlich eine neue zahlende Kundin zu fangen.
Information darf begleiten, aber sie sollte nicht ersetzen, was aus dem Inneren aufsteigen will.
Hast Du Lust auf ein paar Szenen, die Deine Intuition erklingen lassen könnten?
- Eine Frau sitzt am Morgen mit einem warmen Tee in der Hand am Fenster. Draußen regnet es. Sie spürt, dass sie heute nicht funktionieren will. Sie will einfach nur sein.
- Eine andere sieht beim Einkaufen ein Brot, dass sie seit ihrer Kindheit liebt. Es ist weder low carb, noch glutenfrei und völlig unperfekt. Es weckt etwas in ihr – ein echtes, warmes Gefühl. Sie kauft es.
- Oder eine Frau, die plötzlich aufhört sich beim Sport zu quälen, weil sie merkt, sie sehnt sich nicht nach „der Form ihres Lebens“, sondern nach Lebendigkeit. Also tanzt sie. Ohne Musik, Ohne Vorgabe. Einfach nur so.
Was Frauen von heute brauchen, ist keine hunderttausendste Anleitung, sondern einen Raum, um wieder in Kontakt zu kommen. Mit sich selbst. Mit anderen. Mit ihrer Intuition. Ein stiller, klarer Raum, in dem sie spüren und teilen dürfen, was in ihnen lebt.
Vielleicht hast Du Lust mir in den Kommentaren zu schreiben oder in unserer ELARA Community auf SKOOL, denn genau diese Art von Kontakt kreieren wir dort.
Ich würde mich sehr freuen.
Alles Liebe Kirsten
Bild: Canva